Grundlagen des Leerverkaufs und Short Squeeze
Inhaltsverzeichnis
- 1 35% Kurszuwachs in einer Woche! Wie geht das?
- 1.1 Wie kommt es zu einer solch rasanten Rally?
- 1.2 Der entscheidende Faktor
- 1.3 Der Leerverkauf – Die Grundlagen
- 1.4 Woher stammt die Bezeichnung Leerverkauf?
- 1.5 Warum Aktien zur Leihe gegeben werden und was es einbringt
- 1.6 Kann der Aktionär trotzdem noch über seine verliehenen Aktien verfügen?
- 1.7 Risiken des Leerverkaufs mit Hebel
- 1.8 Die Leerverkaufsquote und der Margin-Call
- 1.9 Wie es zum Short Squeeze kommt
- 1.10 Kursmanipulation durch Musks Tweet?
- 1.11 So kommst du Schritt für Schritt in den Handel!
- 1.12 Aller Anfang ist schwer?
35% Kurszuwachs in einer Woche! Wie geht das?
Eine Aktienbewegung von 35% klingt schon mal nicht nach wenig, aber was, wenn das ein wertvolles Unternehmen mit über 50 Mrd. USD Börsenwert hinlegt? Unglaubwürdig? Keineswegs!
Leerverkäufer, Spekulanten und eine Ankündigung trugen ihren Anteil dazu bei, dass dieses Phänomen eintreten konnte.
Die letzte Woche hat die Tesla Aktie genau diese Kursbewegung vollzogen von 286,13 USD auf bis zu 387,46 USD. In gerade einmal sechs Handelstagen!
Wie kommt es zu einer solch rasanten Rally?
Nun, zum einen hat Tesla am 1.August Quartalszahlen vorgelegt, die von den Aktionären und Analysten besonders heiß erwartet wurden. Schließlich ging es darum, wie groß der Verlust bzw. Umsatz ausfallen wird und natürlich wie viele Tesla Model 3, das neuste Model aus dem Hause Tesla, produziert wurden. Durch Produktionsengpässe kam es nämlich zu massiven Verzögerungen im zeitlichen Planungsablauf. Anstatt Ende 2017 wurde die geplante Produktionszahl von 5.000 Model 3 pro Woche erst nach Ende des zweiten Quartals 2018 erreicht. Hierzu waren große Anstrengungen nötig, die u.a. ungewöhnliche Maßnahmen wie eine Produktionslinie in einem Zelt vor der Fabrikhalle erforderten.
Aber warum genau steigt eine Aktie binnen einer Woche um 35%, wenn das Unternehmen über 700 Millionen Dollar Verlust im Quartal eingefahren hat, was mehr als das Doppelte des selben Quartals im Jahr zuvor ist?
Der entscheidende Faktor
Die Umsatzzahlen lagen zwar über den Erwartungen der Analystenschätzungen aber entscheidender Faktor dürften wohl die beiden Worte des Geschäftsführers Elon Musk gewesen sein, dass das Unternehmen nun „nachhaltig profitabel“ sei und keine weiteren Kreditgelder bis Jahresende benötigt würden.
Insbesondere vor dem Hintergrund der erforderlichen Rückzahlung einer Wandelanleihe im Volumen von 230 Millionen USD im November, die vermutlich in bar beglichen werden muss, wenn die Tesla Aktie zum damaligen Preis von 300 USD nicht noch um 80% zulegte, war dies eine wichtige und beruhigende Info für Tesla-Aktionäre.
Elon Musk gab sich in der an die Quartalszahlen anschließenden Telefonkonferenz mit Analysten, anders als im Vorquartal, ganz sachlich und beantwortete Fragen ohne ausfällig zu werden und entschuldigte sich für sein vergangenes Verhalten.
Dies kam bei Analysten und Aktienhändlern gut an, die Aktien konnten nachbörslich fast 12% bis auf 335 USD zulegen. Am Folgetag ging es nochmals weiter rauf bis auf 350 USD. Leerverkäufer, die zuvor auf schlechte Quartalszahlen und einen Rückgang des Aktienpreises gesetzt hatten, kamen nun immer mehr in die Bredouille. Ihre Buchverluste wuchsen immer weiter an.
Der Leerverkauf – Die Grundlagen
Aber was ist überhaupt ein Leerverkauf und wie kommt er zustande?
Für gewöhnlich kennen private Kleinanleger nur die Möglichkeit Aktien zu erwerben und auf einen Kursanstieg zu hoffen um aus der Differenz zwischen Kauf und anschließendem Verkaufskurs einen Gewinn zu ziehen. Zuzüglich evtl. in der Zwischenzeit angefallener Dividendenzahlungen. Dies trifft bei Tesla nicht zu, da das Unternehmen keine Ausschüttungen an seine Aktionäre tätigt.
Wenn nun aber ein institutioneller Investor oder auch ein Privatinvestor mit entsprechenden Kenntnissen und den Handelsmöglichkeiten dazu geneigt ist auf einen fallenden Aktienkurs zu setzen, so gibt es dafür ebenfalls eine Möglichkeit: Den sogenannten Leerverkauf.
Woher stammt die Bezeichnung Leerverkauf?
Der Name stammt daher, dass der Investor zu Beginn keine Aktien des Unternehmens besitzt. Sein Depot ist quasi „leer“ in Bezug auf dieses Unternehmen. Nun geht er zu seiner Depotbank bzw. seinem Broker und meldet Bedarf an einem Leerverkauf an. Dieser „sucht“ nun nach einem willigen Investor, der bereits Aktien des leer zu verkaufenden Unternehmens besitzt und bereit ist, diese gegen eine Gebühr zu verleihen. Dieser sogenannte Leihzins richtet sich danach, wie viele Aktien insgesamt von Investoren zur Leihe zur Verfügung gestellt werden und natürlich danach, wie hoch die Nachfrage von Leerverkäufern ist, um diese Aktien auszuleihen.
Warum Aktien zur Leihe gegeben werden und was es einbringt
Warum aber sollte ein Investor seine Aktien verleihen, wenn er weiß, dass jemand damit auf einen fallenden Kurs setzen möchte?
Nun, das ist recht simpel: Weil es verschiedene Interessen und verschiedene Anlagehorizonte gibt. Während bspw. der Leerverkäufer die geliehenen Aktien nur dafür braucht, um sie direkt verkaufen und kurze Zeit später, sei es wenige Tage oder Wochen wieder (hoffentlich preiswerter) zurückzukaufen und daraus einen Gewinn zu ziehen, möchte der verleihende Investor die Aktien langfristig behalten. Ihm ist es somit egal, ob der Leerverkäufer kurzfristig Erfolg hat und der Aktienpreis fällt, da er langfristig davon ausgeht, dass die Aktien im Wert steigen werden. Zudem gibt es ja keine Garantie, dass der Leerverkäufer mit seiner Wette auf fallende Aktienkurse Erfolg haben wird. Noch dazu bekommt er ja einen netten Zusatzertrag durch die Leihgebühren, die der Leerverkäufer an ihn entrichten muss. Bei gefragten Aktien zum Leerverkauf kann dies durchaus eine hübsche Summe sein. Bei Tesla beträgt die Ausleihgebühr derzeit erträgliche 2,15% p.a.
Kann der Aktionär trotzdem noch über seine verliehenen Aktien verfügen?
Wie läuft das jetzt ab, wenn der Leerverkäufer die geliehenen Aktien erhält und verkauft hat aber der Eigentümer der Aktien (Verleiher) sie selbst verkaufen möchte?
Nun, dann muss der Broker eben jemand anderen finden, der bereit ist, die Aktien zur Leihe zur Verfügung zu stellen. Findet er niemanden, so ist der Leerverkäufer gezwungen seine geliehenen und bereits verkauften Aktien an den Ausleiher zurückzugeben und seinen Leerverkauf vorzeitig zu beenden. Tut er dies nicht selbstständig, erhält er durch die Depotbank bzw. den Broker eine „Zwangseindeckung“, sprich, seine Position wird liquidiert durch den zwangsweisen Rückkauf der Aktien an der Börse und der Rückgabe an den Verleiher. Egal, wo zu diesem Zeitpunkt gerade der Kurs steht.
Risiken des Leerverkaufs mit Hebel
Ein weiteres Risiko für den Leerverkäufer ist ein steigender Aktienkurs. Jeden Euro den die Aktien steigen, würde er beim Rückkauf einen Euro pro Aktie verlieren. Eben genau umgekehrt zum klassischen Aktienkauf. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund beachtenswert, dass viele Leerverkäufer auf Marginbasis handeln. D.h. sie hinterlegen bei ihrer Depotbank nur einen geringen Anteil des Geschäfts als Sicherheitsleistung und haben damit einen Hebel auf ihr getätigtes Geschäft. Bspw. entsteht bei einer Marginleistung von 25% ein Hebel von 4, da lediglich ¼ des Kapitaleinsatzes notwendig ist und somit eine Hebelung der Gewinne aber auch Verluste mit dem Faktor 4 erfolgt.
Das Problem für den Leerverkäufer entsteht also bei stärker steigenden Kursen. Denn theoretisch kann eine Aktie unbegrenzt nach oben steigen, wohingegen sie nur auf 0 fallen kann (negative Aktienpreise sind im Gegensatz zu Zinsen nicht möglich). Wenn also der klassische Aktienanleger lediglich seinen getätigten Aktienkapitaleinsatz verlieren kann, kann der Leerverkäufer theoretisch unbegrenzte Summen verlieren, wenn die Aktien am Markt steigen, sofern er das Geschäft nicht rechtzeitig beendet und aufgelaufene Verluste realisiert. Gerade dann, wenn diese Geschäfte noch dazu mit einem Hebel eingegangen werden, können sich diese Verluste sehr schnell auf erkleckliche Summen hochschrauben.
Die Leerverkaufsquote und der Margin-Call
Genau dieser Fall also trat bei der Tesla Aktie binnen kürzester Zeit ein und das Entscheidende, was diesen Effekt verstärkte, war die große Anzahl an leerverkauften Aktien. Zum Zeitpunkt 31.07.2018, also direkt vor den Quartalszahlen waren ganze 34,99 Mio. Tesla Aktien leerverkauft. Das entspricht 20,5% aller 170,59 Mio. Tesla Aktien. Bei einem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen von 6,79 Mio. Tesla Aktien hätten alle Leerverkäufer zusammen also knapp über 5 Tage benötigt, um beim üblichen Börsenumsatz ihre Geschäfte „glattzustellen“ und ihre ehemals leerverkauften Aktien zurückzukaufen.
Bedenkt man, dass knapp 20% der Aktien Elon Musk gehören und weitere 55% der Aktien institutionellen Großinvestoren halten, die ihre Aktien wohl nicht von heute auf morgen an der Börse anbieten werden, stehen also lediglich knapp ¼ der 170,59 Mio. Aktien tatsächlich zum Handel zur Verfügung. Das bedeutet also in Bezug auf den „Streubesitz“, so nennt man diesen frei handelbaren Aktienteil, beträgt die Leerverkaufsquote (leerverkaufte Aktien im Verhältnis zum Streubesitz (engl. Freefloat)) stolze 82%. Nun werden von der Börse nicht alle institutionellen Investoren als Großinvestoren angesehen, sondern lediglich solche mit wirklich großen Aktienpaketen, aber auch hier beträgt die Quote dann noch 27,6% leerverkaufte Aktien am Streubesitz.
Zurück zu unserem Tesla Beispiel wird sofort klar, warum sich ein steigender Kurseffekt bei einer so hohen Leerverkaufsquote recht schnell zu einem Selbstläufer entwickeln kann, da bei immer weiter steigenden Kursen immer mehr Leerverkäufer immer weiter ins Minus gelangen und evtl. Sicherheiten nachschießen müssen, um ihre Geschäfte aufrecht zu erhalten, sog. „Margin-Call“ des Brokers.
Wie es zum Short Squeeze kommt
Können oder wollen sie dies nicht mehr, müssen sie Aktien an der Börse erwerben um ihr Geschäft glattzustellen, also zu schließen und die Verluste letztendlich zu realisieren. Genau das führt aber zu weiterer Kaufnachfrage nach Aktien und damit wieder weiter steigenden Preisen. Ein Teufelskreis also. Genau das ist der Effekt des „Short Squeeze“. Im Englischen wird der Leerverkauf als „Short“ bezeichnet. Ein Short Squeeze ist damit nichts anderes als das „Ausquetschen“ der Leerverkäufer, welche durch die schnell und stark steigenden Aktienpreise aus ihren Leerverkaufspositionen gedrängt werden, da sie diese nicht mehr länger offen halten wollen oder können.
Kursmanipulation durch Musks Tweet?
Genau das war es, was Elon Musk mit seinem Tesla-Privatisierungstweet vermutlich erreichen wollte. Den Leerverkäufern, die beständig für eine miese Nachrichtenlage sorgen, um den Kurs nach unten zu treiben, eines auszuwischen, damit sie gezwungen werden ihre Verluste letztlich einzustreichen. Wie im gestrigen Blogbeitrag ausführlich erläutert.
Ob ihm dies letztlich langfristig geglückt ist, darf durchaus bezweifelt werden, da große Leerverkäufer bereits offiziell ankündigten, ihre Positionen weiter aufgestockt zu haben.
Spannend waren diese Kurskapriolen allemal. Wenn wohl auch weniger erfreulich für alle Leerverkäufer, die zu früh ihre Positionen eingegangen waren und Verluste einstreichen mussten. Wegen Kursmanipulation untersucht die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC nun aber den Vorfall. Denn auch wenn man Leerverkäufer und ihre Absichten nicht leiden kann, rechtfertigt das nun mal nicht die Vorgehensweise des Tesla Geschäftsführers auf Twitter.
Übrigens: Leerverkäufer können zu einem schnelleren Marktgleichgewicht beitragen, da sie Preisübertreibungen nach oben durch ihre Leerverkäufe abdämpfen. So sehr man sie auch verteufeln mag, tragen sie dennoch ihren (sinnvollen) Teil zum Marktgeschehen bei.
( Rezensionen)
Tags:delisting, elon musk, musk, short squeeze, tesla
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[…] zu entschuldigen und alle Fragen brav zu beantworten? Nur um kurz darauf sich wieder über Leerverkäufer lustig zu machen, die gegen die Tesla Aktie wetten. Obwohl diese damit bereits massiv Geld verloren […]